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Beruflicher Naturschutz in Hessen

Aktuell07. Juli 2021

Naturschutz als Partner

Ein Vorhaben hat es sehr eilig, Planung wird nur halbherzig gemacht, Unterlagen werden sukzessive nachgereicht, und dann wird bekannt, dass eine Tierart vorkommt, die das weitere Vorankommen, die Umsetzung blockiert. Gerichte werden bemüht, die Naturschutzverbände kritisieren das Vorgehen. Die Kolleginnen und Kollegen, die im Naturschutz arbeiten, können ein Lied davon singen. Sie sind nicht die beliebtesten Partner*innen in Planungsverfahren.

Politik und manche Vorhabensträger*innen geben gerne dem Naturschutz die Schuld. Dabei gibt es viele Jurist*innen, die stetig darauf hinweisen, Naturschutzfakten und das Naturschutzrecht bei der Umsetzung eines Vorhabens ernst zu nehmen und zu beachten. Nur so lassen sich im Vorfeld Lösungen finden und im Nachgang langwierige Gerichtsverfahren oder ein Nacharbeiten vermeiden.

Das Bundesnaturschutzgesetz und alle Ländergesetze verfolgen das Ziel, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes zu erhalten und zu fördern. Leider gelingt der Gesellschaft das nicht sehr gut. Das zeigen uns die Roten Listen und die Statistiken zum Artenschwund.

Und warum ist der oder die Kolleg*in schuld an der Verzögerung? Nur weil er oder sie auf die Missstände hinweist? Es ist die Aufgabe der Projektverantwortlichen, für die Einhaltung des Rechts zu sorgen. Die Fachbehörden kontrollieren die vorgelegten Unterlagen und überwachen den rechtlichen Rahmen. Frühzeitige klärende Gespräche zwischen Investor und Naturschutzbehörden könnten hier helfen. Erschließungsfragen werden auch beachtet, Immissionsschutz und Entwässerungsfragen werden gelöst – warum ist das im Naturschutz so schwer?

Bildrechte (v.l.n.r.): Robert Schneider - stock.adobe.com, HVNL, HVNL

Leider erleben wir in letzter Zeit wieder genau das Gegenteil. Angefangen von Rodungen ohne abschließendes Planverfahren bis zu Umorganisationen in unteren Naturschutzbehörden, insbesondere in Nordhessen, wo kritische und gewissenshafte Mitarbeiter*innen versetzt und Verträge für befristetes Personal nicht verlängert werden. Ersetzt werden letztere durch Kolleg*innen aus naturschutzfremden Sachgebieten, wie der Landwirtschafts- oder Forstverwaltung. Natürlich liegt die Personalverantwortung bei den Kommunalverwaltungen. Doch gerade dort sollte auf ein Höchstmaß an Fachkompetenz geachtet werden. Häufig handelt es sich im Naturschutz um Einzelpersonen, die die Arbeit erledigen. Um die hohen Anforderungen, die die Arbeit im Naturschutz mit sich bringt erfüllen zu können, muss der oder die Bewerber*in maximales Fachwissen und soziale Kompetenz mitbringen.

Der ewige Kampf um die besseren Argumente sollte sachlich und mit gegenseitigem Verständnis ausgetragen werden. Wir erleben bei allen Lockdowns, wie wichtig Naturerleben am Feierabend und am Wochenende für die Bevölkerung ist. „Parkplätze am Feldberg im Taunus sind belegt. Bitte nicht mehr anreisen“ hört man nicht nur an vereinzelten Sonntagen. Unsere Ordnungsbehörden haben mehr als sonst zu tun, den Freizeitdruck zu lenken und zu steuern.

Die HVNL appelliert an die Politik und an alle Fachbehörden, die Naturschutz in ihren Verfahren bearbeiten und beachten müssen - die Kolleg*innen sprechen ungeliebte Wahrheiten nicht aus, um sie zu ärgern. Sie treten ein für einen stummen Belang. Kein Hamster, keine Schlingnatter, keine Biene kann sich beschweren oder Widerspruch einlegen, wenn ihre Brutstätte oder ihr Nahrungsraum bebaut wird. Das müssen wir Menschen tun. Nur so können Ersatzhabitate entstehen, oder Alternativstandorte gefunden werden. Auf Augenhöhe sollte der Austausch der Interessen stattfinden, Verständnis sollte aufgebracht werden. Auch für Verzögerungen, die sich aufgrund der Lebenszyklen der Arten natürlicherweise ergeben. Es ist wesentlich, nicht nur das Artensterben in Sonntagszeitungen zu bedauern, sondern durch konkretes Handeln den Artenschwund aufzuhalten. Naturschutzfachliche Stellungnahme der Fachbehörden sind ein erster Schritt dazu. Der Vorstand der HVNL bittet die Kolleg*innen in den Naturschutzbehörden um Informationen, wenn Schwierigkeiten im Naturschutzalltag entstehen. Naturschutzrecht muss in gleichbleibender Qualität eingehalten werden. Dafür wollen wir uns einsetzen.

Elke Grimm